EuGH entscheidet zu Streichpreisen (LG Düsseldorf 38 O 182/22)

Was war geschehen?

Seit knapp einem Jahr gilt in Deutschland § 11 Preisangabenverordnung (PAnGV) in Umsetzung einer europarechtlicher Vorgabe, nämlich Art. 6a Abs. 2 PreisangabenRL. Diese Vorschrift lautet:

 

„Artikel 6a(1) Bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung ist der vorherige Preis anzugeben, den der Händler vor der Preisermäßigung über einen bestimmten Zeitraum angewandt hat.

(2) Der vorherige Preis ist der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat.“

In der Literatur besteht seit Inkrafttreten der Vorschrift Streit darüber, wie diese Vorgabe zu verstehen ist, ob also es also genügt, dass irgendwo der niedrigste Preis der letzten 30 Tage angegeben wird, oder ob sich gerade die Preisreduzierung auf diese niedrigsten Preise letzten 30 Tage beziehen muss, um sog. Preisschaukeleien („Mondpreise“) zu verhindern.

Die Praxis geht mit den neuen Vorgaben jedenfalls sehr „kreativ“ um. Teilweise werden die niedrigsten Preise der letzten 30 Tage in einer Fußnote (klein) angegeben, während blickfangmäßig mit Preisreduzierungen unter Bezugnahme auf kürzlich noch einmal angehobene Preise geworben wird („-XY %“). Verbraucherschützer kritisieren eine solche Werbung, weil das eigentliche Ziel des Gesetzgebers, Preisschaukeleien zu verhindern, mit einer solchen Werbung konterkariert werde.

 

Die Entscheidung des LG Düsseldorf

In einem von uns geführten Verfahren geht es um eine Werbung von ALDI, in der für Bananen mit einem Preis von 1,29 € und einer prozentualen Preisherabsetzung unter Bezugnahme auf einen Streichpreis geworben wird (siehe Titelbild). Diese Preiswerbung bezieht sich allerdings nicht auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage (1,29 €), sondern auf einen zuvor zwischenzeitlich noch einmal angehobenen Preis (1,69 €).

Nach den Leitlinien der Kommission zur Auslegung und Anwendung von Art. 6a PreisangabenRL soll eine solche Werbung unzulässig sein, weil

„jede angegebene prozentuale Ermäßigung (…) auf dem gemäß Artikel 6a ermittelten „vorherigen“ Preis beruhen“

müsse, also auf dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage.

Das LG Düsseldorf hält diese Einschätzung für unzutreffend und tendiert zu einer unternehmerfreundlichen Praxis. Wie in der mündlichen Verhandlung aber schon angedeutet worden war, hat sich das LG Düsseldorf entschlossen, nicht streitig zu entscheiden, sondern dem EuGH mit Beschluss vom 19.05.2023  (Az.: 38 O 182/22) die spannenden Fragen vorzulegen, wie Art. 6a PreisangabenRL zu verstehen sei:

 

„1. Ist Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL dahin auszulegen, dass ein Prozentsatz, der in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung genannt wird, ausschließlich auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 PreisangabenRL bezogen sein darf?

 2.  Ist Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL dahin auszulegen, dass werbliche Hervorhebungen, mit denen die Preisgünstigkeit eines Angebots unterstrichen werden soll (wie beispielsweise die Bezeichnung des Preises als „Preis-Highlight“), dann, wenn sie in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung verwendet werden, auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 PreisangabenRL bezogen sein müssen?“

 

Auswirkungen auf die Praxis

Die Auswirkungen der Auslegungsdirektive des EuGH auf die Praxis sind nicht zu unterschätzen. Sollte der EuGH verbraucherfreundlich urteilen, dürften sich Preisermäßigungen, insbesondere prozentuale Preisermäßigungen, nur noch auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen. Eine solche Preiswerbung wäre damit für den Verbraucher ein echter Transparenzgewinn, weil kurzfristige Preisanhebungen dann der Vergangenheit angehören dürften.

Würde der EuGH hingegen eine wie angegriffene Werbepraxis billigen, müsste der Verbraucher künftig sehr viel genauer Preiswerbungen kritisch analysieren, um beurteilen zu können, ob die vollmundige Preisreduzierung tatsächlich den behaupteten „Wert“ hat.

Es bleibt also spannend, wobei mit einer Entscheidung des EuGH nicht vor Sommer 2024 zu rechnen ist.

Auf Anfrage stellen wir den Beschluss gerne (geschwärzt) zur Verfügung.



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