LG Stuttgart: keine Markenverletzung bei Markennennung auf Beschwerdeportal

LG Stuttgart: Nennung einer Marke auf Bewertungsportal ist keine Markenverletzung

Das LG Stuttgart hat mit Urteil vom 25.01.2022 (35 O 40/21 KfH; noch nicht rechtskräftig) entschieden, dass die Markenwiedergabe durch den Betreiber eines Beschwerdeportals keine Markenverletzung darstelle, sondern lediglich eine (zulässige) Markennennung.

Hintergrund

Bewertungs- und Beschwerdeportale sind aus der modernen Kommunikationswelt im E-Commerce nicht mehr wegzudenken. Kunden orientieren sich heute zunehmend an den Erfahrungen anderer Verbraucher und informieren sich vor einem Kauf im Internet über hinterlassene Bewertungen. Entsprechend bedeutsam sind heute solche Portale. Typischerweise bilden die Betreiber dieser Bewertungsportale zur leichteren Auffindbarkeit der jeweiligen Unternehmen deren Unternehmenslogos über den Bewertungen ab. Je nachdem, wie schlecht die Bewertungen über die verschiedenen Unternehmen auf dem Portal sind, gehen die bewerteten Unternehmen gegen solche Betreiber gerne vor, um am besten gleich den gesamten Unternehmenseintrag zu beseitigen. In der Regel wird das Marken- oder das Wettbewerbsrecht als Einfallstor bemüht, um einen Unterlassungsanspruch zu begründen.

Mit eben dieser Begründung war einer unserer Mandanten auf Unterlassung und Beseitigung des Profileintrags in Anspruch genommen worden. Der Vorwurf lautete, unsere Mandantin würde den Ruf der Marke in unzulässiger Weise ausnutzen und sich überdies wettbewerbswidrig verhalten.

Die Entscheidung des LG Stuttgart

Das LG Stuttgart hat entschieden, dass weder eine Markenverletzung vorliege noch ein unlauteres Verhalten. Zur Begründung führt die Kammer aus:

„Eine Doppelidentität i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nicht gegeben. Die Widerbeklagte Ziff. 1 nutzt das Zeichen für ein Beschwerdeportal. Für eine solche Dienstleistung ist die Marke der Widerklägerin nicht eingetragen und damit auch nicht geschützt.

b) Auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind nicht gegeben, da die Widerbeklagte Ziff. 1 das Zeichen nicht als Marke verwendet. (…) Der angesprochene Verkehr erkennt, dass das Zeichen lediglich dazu benutzt wird, das Unternehmen zu bezeichnen, über das die Beschwerden eingegangen sind. Insoweit ist die Herkunftsfunktion nicht beeinträchtigt. Anders als die Widerklägerin meint, kommt der Verkehr auch nicht auf den Gedanken, dass es eine irgendwie geartete Verbindung zwischen der Widerbeklagten Ziff. 1 und der Widerklägerin gibt.

c) Es liegt auch keine Verletzung i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG vor. selbst wenn man zu Gunsten der Widerklägerin unterstellt, dass es sich um eine bekannte Marke im Sinne der Vorschrift handelt.
aa) Es fehlt schon an einer markenmäßigen Benutzung. Zwar setzt die Annahme einer rechtsverletzenden Benutzung eines mit der bekannten Marke identischen Zeichens nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG keine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion voraus. Ausreichend ist, dass die beteiligten Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen (BGH v. 28.06.2018 – I ZR 236/16 – juris Rn. 18 – keine-vorwerkvertretung I). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da das Zeichen lediglich dazu genutzt wird, das Unternehmen zu kennzeichnen, über das Beschwerden eingegangen sind. Zwar setzt die Annahme einer gedanklichen Verbindung nicht voraus, dass das angesprochene Publikum annimmt, dass mit dem angegriffenen Zeichen gekennzeichneten Leistungen in irgendeiner Verbindung zum Markeninhaber stehen können (BGH v. 02.04.2015 – 1 ZR 59/13 – juris Rn. 36 -Springender Pudel). Jedoch steht der Annahme einer gedanklichen Verbindung entgegen, wenn man sich durch die Verwendung des Zeichens zum Markeninhaber abgrenzt (BGH v. 35 0 40/21 KfH, 28.06.2018 -1 ZR 236/16 – juris Rn. 20 – keine-vorwerk-vertretung I). Dies ist der Fall im vorliegenden Fall – der Verkehr bei einem Beschwerdeportal erkennt, dass das Zeichen zur Kennzeichnung des Unternehmens verwendet wird, über das die Beschwerden eingegangen sind.“

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestünden ebenfalls nicht, so das Landgericht; denn die Parteien seien keine Mitbewerber:

„Anders als die Widerklägerin meint, reicht es hierfür nicht aus, dass ihre geschäftliche Betätigung durch die angebotene Dienstleistung beeinträchtigt wird. Vielmehr besteht eine das
Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG begründende Wechselwirkung der von der beanstandeten Handlung ausgelösten Vor- und Nachteile nur dann, wenn die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (BGH v. 26.01.2017 – i ZR 217/15 – juris Rn. 19 – Wettbewerbsbezug). Ein solcher Bezug besteht im Falle eines Beschwerdeportals bei einem Poolhändler nicht, da die Angebote völlig ungleichartig sind.“

Praktische Auswirkungen

Beschwerde- und Bewertungsportale erleichtern Verbrauchern die Entscheidungsfindung. Die praktische Relevanz solcher Portale ist deshalb enorm. Aufgrund der Vielzahl von Unternehmen, zu denen Kunden ihre Erfahrungen teilen wollen, muss dem Verbraucher die Suche des Unternehmens erleichtert werden, was typischerweise über die Einblendung des (als Marke eingetragenen) Unternehmenslogos geschieht. Das LG Stuttgart hat dogmatisch äußerst präzise die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen geprüft und jeweils mit überzeugender Begründung verneint: Eine schlechte Bewertung oder eine negative Kritik kann in der Regel nicht unter dem Deckmantel des Marken- oder Lauterkeitsrechts untersagt werden.

An diesem Verfahren waren Benjamin Stillner und Christopher Herwig auf Seiten des Portalbetreibers tätig.

Bild: istock.com/Maxger



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