LG Stuttgart untersagt Bankinstitut Greenwashing

LG Stuttgart: Werbung mit unzutreffenden Angaben zu Nachhaltigkeit ist wettbewerbswidrig (Greenwashing)

Werbung mit Nachhaltigkeit ist in und hat eine hohe Attraktion auf Verbraucher. Entsprechend inflationär wird mit Nachhaltigkeit geworben und damit an das Verantwortungsbewusstsein des modernen ökologischen Verbrauchers appelliert. Das LG Stuttgart hat nun mit Urteil vom 31.01.2022 (36 O 92/21 KfH; noch nicht rechtskräftig) in einem von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eingeleiteten Unterlassungsklageverfahren entschieden, dass die Werbung mit ökologischen Vorteilen nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist.

Hintergrund

Die Beklagte, eine Tochter der Commerzbank AG, bewarb einen Umweltfonds unter www.klimavest.de, wobei der interessierte Nutzer unter dem Reiter „CO2-Rechner“ durch Angabe verschiedener Parameter zu seinen Wohnverhältnissen sowie zu seinem Konsum- und Mobilitätsverhalten angeblich seinen persönlichen „CO2-Fußabdruck“ errechnen können sollte. Diesem ermittelten Wert stellte die Beklagte einen durch das beworbene Investment avisierten „CO2-Ausgleich“ gegenüber. Sie sprach von einer „Reduktion“ von 3,5 t bei einem Investment von 10.000,00 €. An anderer Stelle ihres Internetauftritts räumte sie jedoch ein, dass nicht garantiert werden könne, die Anlageziele des Fonds zu erreichen; die Anlageergebnisse könnten im Laufe der Zeit erheblich variieren.

Die Entscheidung des LG Stuttgart

Das LG Stuttgart hat entschieden, dass die konkrete Werbung irreführend sei:

„Die Werbung der Beklagten auf der Internetseite „www.klimavest.de“ für den Fonds „klimaVest ELTIF ISEN L U 2183939003“, so wie sie in Anlage K2 dokumentiert ist, ist unlauter im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG, da sie irreführende Werbung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG darstellt. Die Angabe einer absoluten CO2-Reduktion von 3,5t bzw. eines CO2-Ausgleiches von -3,5t ist eine zur Täuschung geeignete Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG, da die angesprochenen Verkehrskreise diese Angaben als fixe Werte begreifen, die jedenfalls nicht unterschritten werden, obwohl es sich hierbei tatsächlich um Zielwerte handelt, die auch erheblich unterschritten werden können.“

Seine strenge Auffassung begründet das LG Stuttgart wie folgt:

„Nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 1991, 546, Rn. 26, zit. nach juris – Aus Altpapier und GRUR 1997, 666, 668 – Umweltfreundliches Reinigungsmittel), der das Gericht folgt, sind an die Zulässigkeit der Werbung mit Umweltschutzbegriffen besondere Anforderungen zu stellen (so auch OLG Hamm, Urteil vom 19. August 2021 – I-4 U 57/21 –, Rn. 92, juris und LG Köln, Urteil vom 07. August 2019 – 84 O 24/19 –, Rn. 40, juris). Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen ist danach ähnlich wie die Gesundheitswerbung grundsätzlich nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Wegen der weiterhin bestehenden Unklarheiten insbesondere über Bedeutung und Inhalt von Begriffen wie etwa „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „umweltschonend“ oder „bio“ sowie der hierauf hindeutenden Zeichen ist eine Irreführungsgefahr im Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß, zumal beworbene Produkte überdies regelmäßig nicht insgesamt und nicht in jeder Beziehung, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender sind als andere Waren. Unter diesen Umständen besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (vgl. auch OLG Düsseldorf Urteil vom 17.05.2016 – 20 U 150/15, BeckRS 2016, 9407, Rn. 13 und OLG Hamm, Urteil vom 19. August 2021 – I-4 U 57/21 –, Rn. 92, juris).“

Praktische Auswirkungen

Soweit ersichtlich hat das LG Stuttgart als erstes Gericht die Voraussetzungen für eine zulässige Werbung mit Nachhaltigkeit für Kapitalanlagen näher definiert. Die Parallele zu den strengen Anforderungen des BGH an eine zulässige Gesundheitswerbung (Strengeprinzip) wird Kreditinstitute künftig zwingen, sich nicht pauschal auf die Nennung positiver Effekte zu beschränken. Vielmehr müssen nun die Hintergründe zur Werbeaussage geliefert werden, damit der Verbraucher eine informierte Entscheidung darüber treffen kann, ob er die Investition tätigen möchte.

In diesem Verfahren war Benjamin Stillner auf Seiten der Verbraucherzentrale tätig.

Bild: istock.com/PixelRob



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