OLG Düsseldorf: Sind Mogelpackungen im Online-Handel zulässig?
Was war passiert?
Wer kennt das nicht? Man kauft eine Ware und stellt zu Hause verärgert fest, dass in der Verpackung vor allem viel Luft enthalten ist. Das sind sog. Mogelpackungen, die nach geltendem Wettbewerbsrecht grundsätzlich unzulässig sind.
Eine solche Vermarktung war Gegenstand eines Unterlassungsklageverfahrens vor dem OLG Düsseldorf (Aktenzeichen: I-20 U 176/21). Es ging um die Frage, ob der Vertrieb einer werkseitig unvollständig befüllten Waschgeltube eines weltweit bekannten Kosmetikkonzerns einen Verstoß gegen geltende Verpackungs- und Irreführungsvorschriften darstellt oder nicht.
Die Waschgeltube wies einen durchgehend bedruckten und einen durchsichtigen Teil auf, wobei der Füllstand exakt (nur) bis zum etwa mittigen Übergang in den bedruckten Teil geht. Damit war die Tube zu über einem Drittel nicht mit dem Waschgel befüllt, sondern mit Luft.
Entscheidung des OLG Düsseldorf
Zwar bejahte das OLG Düsseldorf am 23. März 2023 einen Verstoß gegen § 43 Abs. 2 MessEG, wonach es verboten ist, Fertigpackungen herzustellen und auf dem Markt bereitzustellen, wenn sie ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäuschen als in ihnen enthalten ist. Allerding meint der Senat, dass die Spürbarkeit einer Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen im Falle eines Verkaufs im Internet fehle. Denn beim Online-Vertrieb bleibe die tatsächliche Größe der Produktverpackung verborgen. Der Interessent könne zwar auf ein bestimmtes Verhältnis der Verpackung von Höhe zu Breite/Durchmesser schließen. Die Füllmenge entnehme er jedoch allein der Füllmengenangabe; und die sei schließlich richtig.
Die Entscheidung des Senats erscheint problematisch: § 43 Abs. 2 MessEG stellt einen abstrakten Gefährdungstatbestand dar, der – unabhängig von der konkreten Verkaufssituation – das Herstellen, den Vertrieb und die Bereitstellung von Produktverpackungen auf dem Markt bereits dann untersagt, wenn die Verpackung eine höhere Füllmenge vortäuscht als tatsächlich enthalten ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei einem Verkauf im Internet den Anwendungsbereich dieser Verhaltensvorschrift faktisch als nicht gegeben ansieht. Wäre die Auffassung des OLG Düsseldorf richtig, müsste jedem Händler geraten werden, sich beim Verkauf von „Mogelpackungen“ auf den Online-Vertrieb zu beschränken. Ein Ergebnis, das nicht richtig sein kann, denn die Verpackung bleibt ja dieselbe – unabhängig davon, ob der Verkauf nun im Internet stattfindet oder im Ladenlokal.
Nicht zu unterschätzen ist außerdem der Umweltaspekt: Durch den großen Hohlraum wird der Verbraucher darüber getäuscht, dass eine unnötig große Menge an Plastikmüll entsteht. Der heute sehr umweltbewusste Verbraucher lehnt zunehmend den Kauf von Produkten ab, die eine unverhältnismäßig große Verpackung haben und deshalb unnötig Müll produzieren. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits in seinem Urteil von BGH, Urteil vom 11.10.2017, I ZR 78/16, klargestellt. Das OLG Düsseldorf sieht dies knapp sechs Jahre später in Zeiten, in denen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mittlerweile eine Art Grundrecht auf Herstellung von Klimaneutralität bestätigt hat und sich Klimaaktivisten an Straßen kleben, anders: Ein „ausgeprägtes Umweltbewusstsein“ könne bei Konsumgüter des täglichen Bedarfs – so im Urteil wortwörtlich – „(noch) nicht unterstellt werden“.
Gegen das Urteil ist Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH erhoben worden (Az.: I ZR 43/23).
Rechtsgebiet: Wettbewerbsrecht
News vom: 21. April 2023
Beitrag verfasst von: Dr. Benjamin Stillner